Durch die Lebertransplantation wird eine schwer erkrankte Leber mit stark eingeschränkter oder ausgefallener Funktion operativ durch eine funktionstüchtige, gesunde Leber ersetzt. Im Falle eines Leberversagens oder chronischen Funktionsverlustes ist die Lebertransplantation aktuell die einzige Therapiemöglichkeit, da die vielfältigen Funktionen der Leber durch künstliche Ersatzverfahren derzeit nicht aufrechterhalten werden können. Patienten, bei denen eine Lebertransplantation momentan als Therapie erwogen wird, leiden typischerweise an einer der folgenden Erkrankungen:
Akutes Leberversagen:
Von akutem, oder fulminanten Leberversagen wird typischerweise gesprochen, wenn es in einer zuvor gesunden Leber zu einem ausgedehnten Schaden der Leberzellen (Hepatozyten) kommt, der schließlich zum Funktionsverlust der Leber führt. Akutes Leberversagen kann sehr unterschiedliche Gründe haben, am häufigsten jedoch findet sich die Ursache durch eine atypische Reaktion gegenüber verschiedenen (im Regelfall harmlosen) Medikamenten oder eine Überdosierung durch Substanzen wie z.B. Paracetamol. Akute Virusinfektionen durch Hepatitisviren und andere Viren oder durch Speichererkrankungen wie beim M. Wilson oder Autoimmunerkrankungen (fulminante Autoimmunhepatitis) können ebenfalls zum akuten Leberversagen führen. Seltenere Ursachen des akuten Leberversagens sind Vergiftungen durch Toxine wie z.B. von Knollenblätterpilzen (Amanita), Leberthrombosen (Verstopfung der Lebervenen beim Budd Chiari Syndrom) oder ausgedehnte Leberverletzungen. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Einzelfällen in denen eine notfallmäßige Lebertransplantation notwendig werden kann (1)
Klinisch äußert sich das akute Leberversagen durch das Auftreten einer Gelbsucht (medizinisch Ikterus), eine Gelbverfärbung von Augen und/oder Haut durch fehlenden Abbau und Ausscheidung des Blutfarbstoffes Hämoglobin in Form von Bilirubin. Nahezu zeitgleich, unter Umständen aber auch mit erheblicher Verzögerung, kommt es zu Verwirrtheitszuständen (Hepatische Enzephalopathie) bis hin zum sogenannten Leberkoma (Coma hepaticum) durch eine Anreicherung von Giftstoffen, die normalerweise von der Leber abgebaut und ausgeschieden werden. Im Gegensatz zu Patienten mit langsam fortschreitendem (chronischem) Leberversagen, die Wochen, Monate oder sogar Jahre überleben können während sie auf eine Lebertransplantation warten, besteht bei Patienten mit akutem Leberversagen ohne eine notfallmäßige Lebertransplantation eine unmittelbare Lebensgefahr. Aus diesem Grund werden Patienten mit akutem Leberversagen nach medizinischer Evaluation im Transplantationszentrum und Kontrolle der Indikation durch das medizinische Personal der Stiftung Eurotransplant mit der höchsten Dringlichkeit (high urgency) zur Transplantation gelistet und können unter normalen Umständen innerhalb weniger Tage ein geeignetes Spenderorgan erhalten.
Chronisches Leberversagen:
Im Unterschied zu anderen Organen hat die Leber eine ausgeprägte Fähigkeit sich selbst zu regenerieren. Trotzdem führen fortgesetzter Zellschaden und Reparaturvorgänge über Jahre und Jahrzehnte zur irreversiblen Vernarbung der Leber. Der Endzustand dieser Vernarbung wird Leberzirrhose genannt und kann durch Regeneration nicht mehr aufgehoben werden. Wenn die fortschreitende Vernarbung schließlich zur Leberzirrhose geführt hat kommt es schrittweise zum Funktionsverlust der Leber und anderer Organsysteme, die auf eine funktionierende Leber angewiesen sind. Dieser fortschreitende Verschlechterung der Leberfunktion und anderer Organsysteme kann sich plötzlich, z.B. im Rahmen von banalen Infekten dramatisch verschlechtern und wird dann als „dekompensierte Leberzirrhose“ oder „akut-auf-chronisches Leberversagen“ bezeichnet.
Klinische Symptome beziehungsweise Komplikationen der dekompensierten Leberzirrhose sind unter anderem
- gastrointestinale Blutungen aus Krampfadern im Bereich des Magen-Darm Traktes, häufig entlang der Speiseröhre (Ösophagusvarizen) und des Mageneingangs (Magenantrum/-korpusvarizen)
- das Auftreten einer Gelbsucht (Ikterus)
- das Auftreten einer hepatischen Enzephalopathie, einer zunehmenden Beeinträchtigung der Gehirnfunktion, welche sich zunächst durch Konzentrationsschwäche und zunehmende Müdigkeit, später durch Verwirrtheitszustände bis hin zum Leberkoma äußert
- Flüssigkeitsansammlungen in Körperhöhlen wie dem Bauchraum (dann als Aszites bezeichnet), dem Brustkorb (Hydrothorax) oder Geweben z.B. den Beinen (Beinödeme).
Weiterführende Informationen über die Stadieneinteilung und die Behandlung der Leberzirrhose finden Sie unter „Chronische Lebererkrankungen“
Die Organzuteilung erfolgt seit einigen Jahren anhand des MELD-Wertes (Model for End-Stage Liver Disease). Der MELD-Wert beurteilt den Schweregrad einer Leberzirrhose nur aufgrund objektiver Laborparameter für Blutgerinnung, Leberstoffwechsel und Nierenfunktion (INR, Bilirubin, Kreatinin) und wird anhand einer komplexen logarithmischen Formel berechnet. Der MELD-Wert erlaubt die 3-Monats-Mortalität bei einem spontanverlauf ohne Transplantation abzuschätzen, die ab einem Wert von 20 deutlich ansteigt (siehe auch Verteilung von Spenderorganen).
Patienten mit einer Leberzirrhose sollten ab einem MELD-Wert von 12-14 Punkte zur Indikationsprüfung ans Transplantationszentrum zugewiesen werden. Ab einem MELD-Wert von 14 ist statistisch gesehen das Überleben nach Lebertransplantation wesentlich höher als ohne Transplantation, weshalb die Lebertransplantation dann grundsätzlich indiziert ist.
Eine Lebertransplantation birgt als großer operativer Eingriff aber auch Risiken. Die frühe Sterblichkeit innerhalb des ersten Jahres nach der Transplantation ist bedingt durch Infektionen, operative Komplikationen, und eine Transplantatabstoßung etwa 10%. Das 5- und 10-Jahresüberleben nach Lebertransplantation beträgt danach in Abhängigkeit von der Grunderkrankung zwischen 60% und 90%. Bei zunehmendem Langzeitüberleben der Patienten wird das Management der Medikamenten-Nebenwirkungen und kardiovaskulären Risiken immer wichtiger.