Wenn die Indikation zur Lebertransplantation gestellt wird erfolgt der Ausschluss relevanter Kontraindikationen üblicherweise im Rahmen eines mehrtägigen stationären Aufenthaltes an dessen Ende eine ausführliche Diskussion des Falles in unserer interdisziplinären Leberboard Sitzung steht und anschließend ggf. die Listung zur Lebertransplantation bei der Stiftung Eurotransplant in Leiden, Niederlande erfolgt.
Im Falle eines Organangebotes wird dessen Qualität vom diensthabenden Transplantationsmediziner evaluiert und falls keine Einwände bestehen erfolgt der Anruf beim Patienten mit der Bitte in die Chirurgische Klinik zu kommen. Die Organangebote und damit Anrufe kommen meist am Abend und sind in der Regel nicht vorhersehbar. Zu diesem Zeitpunkt kann noch nicht abgesehen werden ob es tatsächlich zur Organtransplantation kommt, da die Organspende und damit genaue Beurteilung durch den Explantationschirurgen noch nicht stattgefunden hat. Im Falle einer unvorhergesehen schlechten Organqualität oder anderer Gründe die gegen eine Organspende sprechen (unerkannter Tumor oder Organschaden) wird die Transplantation abgebrochen und der Patient wieder nach Hause entlassen.
Kommt es zur Transplantation dauert diese zwischen 4 und 8 Stunden, nach der Transplantation erfolgt die Verlegung auf Intensivstation. Nach Beendigung der Beatmung, beginn der Medikamententherapie und anfänglicher Mobilisierung erfolgt die Verlegung auf die Zwischenintensivsttion und dann weiter auf die Normalstation. In der Regel werden Patienten nach Lebertransplantation bis zur Entlassung in Einzelzimmern untergebracht.
Immunsuppression
Unser Körper verfügt über ein ausgefeiltes System um Bakterien, Viren und Parasiten abzuwehren. Das Immunsystem hat sich so entwickelt, dass körperfremde Organismen erkannt und eliminiert werden. Leider werden transplantierte Organe vom Körper zumeist auch als „fremd“ erkannt und es droht der Verlust der Organfunktion durch Abstoßung. Eine Reihe Immunsuppressiver Medikamente dämpfen die Reaktionen des Immunsystems und sollen so eine Abstoßung verhindern. Häufig verwendete Medikamente sind im Folgenden aufgeführt. Sie werden oft in Kombination verabreicht um die immunsuppressiven Effekte zu maximieren und die Nebenwirkungen abzuschwächen:
- Steroide/Glucocortikoide (intravenös: Methylprednisolon; oral Prednisolon): Steroide sind eine Stoffklasse von Entzündungshemmern, welche durch Unterdrückung der Produktion von Signalstoffen die Ausbildung einer orchestrierten Immunantwort verhindert. Steroide unterdrücken die Aktivierung und Vermehrung von Lymphozyten, welche bei der Abstoßung von Organen eine Schlüsselposition einnehmen. Unerwünschte Nebenwirkungen der Steroide sind vielfältig, die häufigsten sind jedoch Blutzuckerschwankungen, Bluthochdruck, reduzierte Knochendichte und Störungen der Wundheilung. In der Anfangsphase kann es mitunter zu Verwirrungszuständen, Desorientiertheit und manchmal psychotischen Episoden (Steroidpsychose) kommen, diese Nebenwirkungen lassen mit sinkender Steroiddosis rasch nach.
- Calcineurin Inhibitoren (Tacrolimus, Cyclosporin A): Diese Substanzen hemmen die Aktivität von Calcineurin, einem zentralen Signalübertragungsmolekül der Lymphozyten und verhindern so die Bildung zahlreicher Botenstoffe der Immunantwort. Die Calcineurin Inhibitoren wurden seit 1980 eingesetzt und haben der Organtransplantation zu ihren heutigen Erfolgen verholfen indem die Rate der Transplantatabstoßung signifikannt gesenkt wurde. Leider verfügen diese Medikamente auch über ein erhebliches Nebenwirkungsprofil, insbesondere Schädigung der Nierenfunktion aber auch eine Erhöhung von Blutdruck, Blutzucker und Blutfetten, wodurch es langfristig zur Ausbildung von Herzerkrankungen kommen kann. Kopfschmerzen und Muskelzittern sind weitere mögliche Nebenwirkungen oder Ausdruck einer Medikamentenüberdosierung. Da jeder Patient diese Medikamente unterschiedlich aufnimmt und verstoffwechselt muss der Wirkspiegel in regelmäßigen Abständen individuell durch Blutentnahme bestimmt und die Medikamentendosis entsprechend angepasst werden.
- Antimetabolite (Mycophenolat mofetil,Azathioprin ): Diese Substanzklasse verhindert die DANN Bildung in Lymphozyten und verhindert so deren Vermehrung im Rahmen einer Immunantwort. Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen sind Bauchkrämpfe und Durchfälle. Störungen der Blutbildung (rote und weiße Blutkörperchen und Blutplättchen).
- mTOR-Ihibitoren (Sirolimus, Everolimus): Diese Substanzklasse bewirkt einen Stillstand des zur Zellvermehrung notwendigen Zellzyklus. Lymphozyten sind dadurch in der Zellteilung und Verstärkung der Immunantwort eingeschränkt. Nebenwirkungen sind Blutbildungsstörungen des Knochenmarkes, Wundheilungsstörungen, Erhöhte Blutfette und Ausscheidung von Proteinen im Urin.
- T-Zell depletierende Antikörper (Thymoglobulin): Diese Antikörper binden direkt an Lymphozyten des Immunsystems und führen zu deren Inaktivierung und Zerstörung. Sie werden hauptsächlich bei therapierefraktären Abstoßungsepisoden verwendet. Nebenwirkungen sind Hautausschläge, Fieber, Schüttelfrost und Zytokin Ausschüttungssyndrom mit Lungenödem und Kreislaufkollaps. Spätfolgen kann die verstärkte Ausbildung von post-Transplantations lymphoprolifertiver Erkrankung (PTLD) und Hautkrbserkrankungen (Basaliom) sein.
- Neuere Studienmedikamente und Strategien: Mit einem besseren Verständnis des Immunsystems haben sich die Immunsuppressiven Medikamentenkombinationen grundlegend verändert und verändern sich weiter. Generell zielt die Entwicklung darauf ab eine überflüssig starke Unterdrückung des Immunsystems zu vermeiden und Therapieformen für die transplantatspezifischen Immunzellen zu entwickeln.
Im Anschluss an den stationären Aufenthalt empfehlen wir eine organspezifische Rehabilitationsmaßnahme für 3-4 Wochen die unser Sozialdienst mit Ihnen beantragen wird.
Langzeitverlauf nach Transplantation / Nachsorge
Nach der Rehabilitationsmaßnahme erfolgt die weitere Betreuung in unserer interdisziplinären Transplantationssprechstunde montags gegen 9 Uhr (Chirurgische Poliklinik, Haus A2, Ebene-1). Eine enge Anbindung an unser Transplantationsbüro ist durch unsere Transplantationskoordinatorin Frau Bischof gegeben, die bei Fragen und Problemen telefonisch unter der Nummer 0931-201-36663 erreichbar sind. Außerhalb der Dienstzeiten (Montag-Freitag 8:00-16:00 Uhr) und an Wochenend- und Feiertagen kann bei Notfällen unter derselben Telefonnummer der diensthabende Transplantationschirurg erreicht werden, so dass für Patienten nach Lebertransplantation jederzeit ein direkter Ansprechpartner erreichbar ist.
Die Vorstellungen in der interdisziplinären Transplantationsambulanz finden anfangs wöchentlich, dann alle zwei Wochen und später monatlich, halbjährlich und schließlich einmal im Jahr statt. Wichtig ist die regelmäßige Kontrolle von Blutwerten und Medikamentenspiegel, die in der Transplantationsambulanz des Leberzentrums erfolgt. Bei Patienten mit weiterer Anfahrt können die Blutentnahmen auch durch den Hausarzt erfolgen und die Ergebnisse an unsere Transplantationsambulanz gefaxt werden. Nach Durchsicht der Werte nehmen wir dann telefonisch mit den Patientinnen/Patienten Kontakt auf und besprechen das weitere Vorgehen bzw. Anpassungen der Medikamentendosis.
Die Lebensqualität steigt nach einer Lebertransplantation bereits nach einem Monat deutlich an. Die Lebensqualität nach Transplantation ist bei den Patienten besser, welche wieder in den Arbeitsprozess zurückkehren können, was leider nur etwa der Hälfte aller Patienten gelingt. Sexuelle Störungen sind vor allem anfangs nicht selten. Eine Schwangerschaft sollte in den ersten 1 – 2 Jahren nach Transplantation vermieden werden. Heute zeigen Patienten nach Lebertransplantation ein hohes Langzeitüberleben und eine gute Lebensqualität, so dass eine Lebertransplantation unter den genannten Bedingungen stets diskutiert werden sollte.
Patient und Ärzte als Nachsorgeteam
Patienten nach Lebertransplantation beobachten sich selbst sehr intensiv, da so Komplikationen wie Infektionen und Veränderungen von Herz, Blutdruck und Nierenfunktion auch außerhalb der ambulanten Wiedervorstellungen schnell auffallen. Täglich erfolgt daher die Messung von Körpergewicht, Temperatur und Blutdruck, kurz nach der Transplantation auch mehrmals am Tag. Diese Vitalparameter werden auf Beobachtungsbögen dokumentiert und zu den Arztbesuchen mitgebracht. Auf dieser Grundlage entscheidet das behandelnde Ärzteteam über weitere Untersuchungen oder Änderungen der Medikamente.
Bei Patienten nach Lebertransplantation aufgrund eines hepatozellulären Karzinoms erfolgt zusätzlich im Rahmen der Wiedervorstellung eine Tumornachsorge mit jährlicher CT-Untersuchung und halbjährlichem Ultraschall und Tumormarkerbestimmung.
Blutdruck, Blutzucker und Blutfettwerte
Durch die Medikamente nach Lebertransplantation kann es besonders in der Anfangsphase nach der Transplantation zu stärkeren Schwankungen von Blutdruck und Blutzucker kommen. Insbesondere bei einer vorbestehenden Neigung zu einer diabetischen Stoffwechsellage kann nach der Transplantation die Verabreichung von Insulin erforderlich werden. Durch die immunsuppressiven Medikamente können sich die Veränderungen von Blutdruck und Blutzucker verstärken, gleichzeitig kommt es häufig durch das neue Organ zu einer Befundbesserung. In jedem Fall müssen die Veränderungen von Blutdruck und Blutzucker von Patient und Arzt engmaschig überwacht werden und die Medikamente ggf. entsprechend angepasst werden. Die Blutfettwerte können sich durch die immunsuppressiven Medikamente ebenfalls verändern und erfordern unter Umständen die Einnahme sogenannter Fettsenker (Tabletten). Aus diesem grund werden die Blutfettwerte in regelmäßigen Abständen im Rahmen der ambulanten Vorstellung kontrolliert.
Infektionen und Tumorerkrankungen
Wie bereits angedeutet besteht die Hauptaufgabe des Immunsystems darin körperfremde Zellen und Organismen wie Bakterien, Pilze und Viren abzuwehren. Durch die gleichen Abwehrmechanismen erfolgt jedoch auch die Abstoßung fremder Organe, so dass nach Transplantation eine medikamentöse „Herunterregulation“ des Immunsystems durch immunsuppressive Medikamente erfolgt. Durch diese Schwächung des Immunsystems steigt jedoch die Gefahr einer Infektion durch Organismen, die unser Immunsystem im Normalfall gut abwehren kann. Diese Infektionen werden daher opportunistische Infektionen genannt und betreffen in erster Linie Patienten mit schwächerem Immunsystem. Daher besteht nach Transplantation aufgrund der Immunsuppression gegenüber der Normalbevölkerung ein erhöhtes Risiko gegenüber diesen opportunistischen Infektionen:
In den ersten Wochen nach Transplantation besteht eine ausgeprägte Gefahr für Infektionen mit Bakterien und Pilzen. Nach dieser Zeit bis zum Ablauf von 6 Monaten werden häufiger Infektionen oder Reinfektionen mit Viren, besonders dem Cytomegalievirus (CMV mit einem sehr variablen Infektionsbild), Pilzen wie dem Pneumocystis jirovecii (besonders sogenannte interstitielle Lungenentzündungen) und Bakterien wie unterschiedlichen Tuberculose Bakterien beobachtet. Nach 6 Monaten werden die opportunistischen Infektionen zunehmend seltener, jedoch besteht gegenüber der Normalbevölkerung immer noch ein erhöhtes Risiko.
Neben der Abwehr von Infektionen ist das Immunsystem auch für die Unterdrückung von Tumorzellen verantwortlich, die zufällig im Körper entstehen können. Aufgrund der Schwächung des Immunsystems nach Transplantation besteht wie bei den Infektionen gegenüber der Normalbevölkerung ein gesteigertes Risiko für bestimmte Krebserkrankungen. Glücklicherweise haben diese Krebsarten bei rechtzeitiger Diagnose eine sehr gute Prognose, so dass eine Jährliche Vorsorge unbedingt erforderlich ist:
Basaliome der Haut (nicht-melanotischer Hautkrebs)
Basaliome sind die häufigste Krebsart bei Patienten nach Lebertransplantation mit einem Auftreten bei fast 27% der Patienten nach 10 Jahren, was gegenüber der ormalbevölkerung ein ca. 25fach erhöhtes Risiko bedeutet. Die ungeschützte Sonnenexposition ist ein Risikomultiplikator bei Patienten mit Immunsuppression, so dass die Verwendung von Sonnenschutzcreme mit hohem Lichtschutzfaktor und bedeckende Kleidung sowie Hüte unbedingt verwendet werden sollten. Ausgedehnte Sonnenbäder bei starker Sonneneinstrahlung verbieten sich leider ebenfalls. Zur frühzeitigen Entdeckung dieser zumeist sehr gut behandelbaren Hauttumoren sollte lebenslang eine jährliche Kontrolle der gesamten Haut beim Hautarzt erfolgen.
Lymphoprolifertive Erkrankungen nach Transplantation (Post-Transplant Lymphoproliferative Disorder – PTLD)
Wie der Name bereits andeutet handelt es sich um ein eher untypische Form der unregulierten Lymphzellvermehrung. Sie ist in den meisten Fällen mit dem Eppstein-Barr Virus (EBV) assoziiert. Die meisten Erwachsenen hatten in ihrer Kindheit und Jugend Kontakt mit EBV. In diesen Patienten kann es zu Lymphoproliferativen Erkrankungen durch Reinfektion des „schlummernden“ Virus ähnlich wie bei einer „Gürtelrose“ kommen. Bei Kindern kann es zur Primärinfektion kommen und so eine PTLD auslösen. Der Mechanismus der Erkrankung ist eine zu starke Unterdrückung des Immunsystems so dass die Therapie in erster Linie in der Verringerung der Immunsuppressiven Medikation besteht. Eine weitere Möglichkeit ist die direkte Therapie der sich unkontrolliert vermehrenden B-Zellen durch einen Antikörper (Rituximab). Die Mehrzahl der PTLD-Erkrankungen kann mit Erhalt des transplantierten Organs behandelt werden.